(Foto-Credit: Frank Jacobi)
Redakteur: Roman Golub
Nachtsucher ist eine Dark Rock-Band aus Norddeutschland. In einem Interview gab es interessante und spannende Antworten zum aktuellen Longplayer „Wenn Seelen sterben“.
Euer aktuelles Album heißt „Wenn Seelen sterben“? Welcher Gedanke steht bei euch beim Konstrukt „Seele“ im Vordergrund? Wie wichtig sind dabei Emotionalität und ein mögliches Weiterleben nach dem physischen Tod? Wie viel im Leben ist von der Bedeutung der Seele oder des Seelenlebens abhängig? Warum habt ihr den Release so genannt?
Die Seele stellt das allumfassend Göttliche in uns selbst dar, das selbst der Vergänglichkeit preisgegeben ist, wenn auch in deutlich größeren Zeitdimensionen als unser menschliches Dasein. Und dieses Göttliche kann leiden und sich wohl fühlen; die Seele leidet mit uns, wenn es uns nicht gut geht. Und sie leidet, wenn wir ihrer Natur zuwiderhandeln, doch beeinflusst sie unser Handeln auch, leitet uns an, führt uns. Darüber hinaus wandert die Seele; in allem kann sie verweilen, reifen, vergehen. Und vielleicht gibt es sie auch gar nicht! Doch angenommen, die Seele existiert, dann erscheint es durchaus von Belang, ihr nach Kräften Gutes zu tun und durch sie Kraft, Leidenschaft, Lebenswille und Zuversicht zu erhalten. Und eben dass man durch eigenes Handeln dazu beitragen könnte, sich selbst und anderen Lebewesen Gutes zu tun, inspirierte uns zu dem Albumtitel „Wenn Seelen sterben“, der den Untergang des eigenen Ichs und seines Nächsten durch das Lassen von Leben und Lieben darstellt. Wir rufen somit auf: Kümmert Euch – um Euch selbst, um Eure Nachbarn, um jedes noch so unbedeutend erscheinende Ding auf dieser Welt und dahinter! Geht raus und lebt das Leben voller Mut und Hoffnung und leidenschaftlicher Lust! Die Seele wird es zu schätzen wissen und viel Gutes mitnehmen auf ihrer Reise durch ihre Hüllen!
Der Titel „Angst“ stellt dieses Gefühl in seiner Zwiespältigkeit dar. In welcher Art und Weise drückt „Angst“ einen seelischen Konflikt aus?
Der Song „Angst“ erzählt von Bindungsschwäche aufgrund mangelnder Toleranz, verletzlich zu sein, da man liebt. So sehr sind viele von uns gewohnt, als gefühlte Einzelkämpfer durch das Leben zu gehen, dass ein großes Ziel unserer Wanderschaft – nämlich zu lieben und geliebt zu werden - bei Erreichen unsere Verwundbarkeit mit roten Bannern auf unserer steinernen Festung zu markieren versteht; einige halten das nicht aus und entfliehen.
Wofür stehen im Song „Wonach du suchst“ die Zeilen „Ich will in dein Herz in deine Seele rein/ Hör mir ein letztes Mal zu/ Und ich zeig' dir wonach du suchst“? Inwieweit symbolisiert dieser Song die Wichtigkeit einer Seelennähe in einer Beziehung? Warum fiel im Video zu diesem Lied die Wahl der Location auf ein Gebäude mit vielen Graffitisprühereien?
„Wonach Du suchst“ schildert den verzweifelten und schier endlosen Kampf starker Persönlichkeiten innerhalb einer Beziehung, dem Geliebten zu verdeutlichen, zu Hause angekommen zu sein. Doch der so Geliebte zweifelt: an der Liebe, ihrem Wert, dem seinen; schließlich ist er so beschäftigt mit seinem Hadern, dass er zu dauerhafter Traurigkeit neigt und sich im Dickicht versteckt. Und eben dann kämpft sich der Starke wieder durch die Dornen und versucht, den Geliebten seinem Fluch zu entreißen – Tag für Tag, unaufhörlich. Bis er selbst nicht mehr kann. Die Graffiti-Location, ein stillgelegtes Autohaus, erscheint wie ein Museum unserer Freuden und Nöte. Manche Graffitis erzählen von unerfüllter Liebe, gemalt auf kaltem Beton manchmal nicht zu verändernder Wirklichkeit…
(Foto-Credit: Frank Jacobi)
Welche Bewandtnis hat es mit den vielen Fotos in eurem Video zu „Für Dich im Licht?
Mit „Für Dich im Licht“ wollten wir geliebten Menschen der älteren Semester in schwierigen Pandemie-Zeiten Hoffnung schenken. Und wir hielten es für eine sinnvolle Idee, unseren Anhängern die Möglichkeit zu geben, durch das Zusenden von Fotos ihrer Liebsten selbst bei diesem gelungenen Projekt mitzuwirken.
Im Track „Lösch das Licht „heißt es „Erkrankt an dieser Zeit/ Fehlt dir Barmherzigkeit/ Auch Wärme und der Schutz/ Vor dieser Welt aus Schmutz“. In welchem Maße stellt diese Gesellschaftskritik dar? Wird da der Umgang mit alten Menschen angeprangert?
In den Strophen zeichnet sich „Lösch das Licht“ durch einen zutiefst ironischen Charakter aus. In diesen Zeilen nimmt sich der Song all die Selbstgerechten vor, die da glauben, all ihr edles Tun würde nur mit Undank honoriert werden; sie schauen in den Spiegel und sehen sich nur im Licht. Doch sie schauen nie neben oder hinter dieses Licht – und sehen sich im Schatten nicht, wie es sinngemäß später im Chorus heißt. Der Song ruft also auf, sich so komplett wie möglich zu erfassen und nicht selbst zu überhöhen. Fortan sollte die Eitelkeit, nicht ausreichend gewürdigt zu werden, wie ein fauler Apfel abfallen, um endlich Raum freizugeben, Beziehungen sachlicher und konstruktiver zu gestalten. Der sogenannte Gutmensch hätte dann endlich ausgedient! Doch gibt es ihn leider in allen Altersklassen, weit entfernt von der Auslöschung seiner Art.
In der Wind ist zu vernehmen: „Niemand kann mich sehen wenn ich weh' über' s Land/ Und niemand kann verstehen/ Wenn die Wut es verlangt/ Werd' ich zum Orkan“. Wovon handelt der Titel und wofür stehen die gebrauchten Metaphern?
Zu dem Track „Der Wind“ ist unbedingt zu wissen: Unser Sänger und Texter Christian wohnt direkt an der Küste, wo Wind je nach Richtung und Intensität eine wichtige Rolle im Leben der Menschen besetzt und häufig imposante Aufführungen darzubieten vermag. Dass ein Text eines Dark Rock-Albums natürlich immer auch allegorisch sein sollte, zumindest nicht einfach nur eine oberflächliche Beschreibung darzustellen hat, um ja nicht zu einer Synkope zu verkommen, ist charakteristisch für alle Denker im Land der Dichter. Nichtsdestotrotz sei es jedem freigestellt, ob und inwieweit er der Hermeneutik frönen möchte, wenn er dem Winde lauscht!
Welche Bedeutung hat euer Bandname?
Wir Nachtsucher suchen im Dunkeln immer nach Licht. Denn nichts Erstrebenswertes gedeiht ohne Hoffnung.
Was stellt das Cover von „Wenn Seelen sterben“ dar?
Das Albumcover von Phil Jonas, übrigens Frontmann von Secrets of the Moon, zeigt einen alten Menschen am Ende seines Lebens, der in den Spiegel schaut und ohne Umschweife notiert, was er getan oder auch nicht getan hat in seiner Zeit. Wenn wir Jüngeren nun diesem Bild eine Lehre zu entnehmen bereit sind, beispielsweise, wie wir uns und unser Leben im Jetzt und Hier beurteilen würden, könnte es auch kein großer Schritt hin zu der Erkenntnis sein, dass man sofort und ohne Ausreden damit beginnen kann, sein Leben zu modifizieren. Eben diesen Vorteil hat man, wenn der Tod noch nicht unmittelbar bevorsteht, wenn nichts ganz und gar Überraschendes passiert!
Was macht ihr gegen Lampenfieber vor einem Gig?
Gut vorbereitet sein.
Wollt ihr zum Schluss noch etwas sagen?
Lasst uns begreifen: Es wird wohl nie wieder eine Zeit ohne Corona geben, in der wir arglos zu tausenden dicht an dicht miteinander feiern dürfen! Wohl aber wird es schon bald wieder Konzerte geben, die man auch physisch aufsuchen darf – geht dahin, bleibt nicht zu Hause, seid diszipliniert und erweist den Künstlern Euren Respekt durch maximale Aufmerksamkeit! Denn jedes Live-Konzert ist eine Chance darauf, etwas Großartiges zu erleben, das man auf der Couch liegend vermutlich verpassen würde!
Vielen Dank für das Interview